Bin Ich Türkin? Polin? Oder doch Deutsche?
„Woher kommst du?“- Diese Frage wurde sicher jedem schon einmal gestellt. Aber wie antwortet man darauf, wenn man zwar in Deutschland geboren wurde, sich aber auch mit anderen Ländern verbunden fühlt? Wenn die Eltern nicht aus Deutschland kommen und man deshalb eine andere Muttersprache hat? Da fragt man sich: Woher komme ich denn jetzt eigentlich wirklich?
Dieses Problem hat auch die 17-jährige Katharina (Name von der Redaktion geändert). Sie hat zwei Brüder und wohnt zusammen mit ihrer polnischen Mutter und ihrem türkischen Vater in einer kleinen Stadt in Oberfranken. Sie wächst in drei verschiedenen Kulturen auf und konnte mit sechs Jahren schon drei Sprachen, mit denen sie sich zu Hause, aber auch in der Öffentlichkeit, mit anderen verständigt, sprechen. Es ist für sie normal, dass in ihrer Familie, obwohl sie wie ihre Mutter Katholikin ist, neben den christlichen auch muslimische Feiertage gefeiert werden. Doch sie unterteilt diese unterschiedlichen Kulturen und Religionen nicht und empfindet auch keine als wichtiger. Für sie ist es eine einzige Kultur, die in ihrer Familie herrscht, eine sogenannte Mischkultur aus den Traditionen ihrer Eltern und gleichzeitig auch aus ihrem eigenen Umfeld. Man könnte denken, dass solche Mischkulturen für ein Kind ziemlich toll sind, weil es dann den Vorteil hat, mehrere Sprachen zu verstehen, multikulturelles Essen zu Hause zu bekommen oder auch mehr über die verschiedenen Religionen zu wissen und alle Feste mitzufeiern. Jedoch steckt viel mehr dahinter.
Schon im Kindergarten wird ihnen bewusst, dass die anderen Mütter beim Abholen deutsch mit ihrem Kind sprechen, was bei Kindern aus der multikulturellen Familien anders ist.
Solche Kinder merken von Anfang an, dass sie ein wenig anders sind als die Anderen. Schon im Kindergarten wird ihnen bewusst, dass die anderen Mütter beim Abholen deutsch mit ihrem Kind sprechen, was bei Kindern aus der multikulturellen Familien anders ist. Das kann die Folge mit sich tragen, dass das Kind sich dafür schämt, anfängt Selbstzweifel zu bekommen und den Wunsch hat, so zu sein wie die anderen Kinder. Diese Hürde hat Katharina jedoch schon hinter sich und hat ihr Selbstbewusstsein dadurch aufgebaut, dass sie erkannt hat, wie einzigartig sie doch eigentlich ist. Ihre Eltern hatten es anfangs jedoch nicht leicht. Da beide aus komplett unterschiedlichen Kulturkreisen mit verschiedenen Religionen kommen, hatten sie große Schwierigkeiten damit, dass die jeweiligen Familien den Partner akzeptierten. Sie hörten oft genug den Satz „So geht das nicht!“, weil die Eltern sich so eine multikulturelle Familie nur noch als Chaos vorgestellt hatten. Und trotzdem läuft es doch seit Jahren so gut! Warum hatten denn dann die Verwandten etwas dagegen? Die Antwort darauf ist, dass der Wunsch besteht, die eigene Kultur beizubehalten und von Generation zu Generation weiter zu geben. Doch dass eine Mischung der beiden Kulturen und eine bilinguale Erziehung mit Zusatzsprache Deutsch möglich sei, hatte niemand im Kopf.
Dass es bei der Liebe allein um den Menschen und nicht um seine Sprache, Kultur oder Religion geht.
Doch glücklicherweise haben Katharinas Eltern die Partnerschaft versucht und dadurch gezeigt, dass es bei der Liebe allein um den Menschen und nicht um seine Sprache, Kultur oder Religion geht. Außerdem können Kinder, die mit zwei oder mehreren Sprachen aufwachsen, ihr Leben lang diese Sprachen so gut beherrschen wie Muttersprachler, die nur mit einer Sprache aufwachsen, oder zumindest auf einem sehr hohen Niveau kommunizieren. Sie kriegen außerdem ein hervorragendes Sprachgefühl und haben weniger Schwierigkeiten weitere Sprachen, zum Beispiel während ihrer Schullaufbahn, zu erlernen. Für Katharinas Zukunft ist es aber auch von signifikantem Vorteil, dass es ihr später in Berufen, die Mehrsprachigkeit und Internationalität erfordern, leichter fallen wird. Trotz einiger Schwierigkeiten in der Gründung solch einer Familie, ist es doch schließlich trotzdem schön mit anzusehen, wie friedlich und tolerant alle miteinander umgehen und jeder stolz darauf ist, so aufzuwachsen. Wenn man nun Katharina oder ihre Brüder fragt, woher sie denn jetzt eigentlich kommen, antworten sie: „Ich komme aus Deutschland! Ich wurde hier schließlich geboren, fühle mich aber der polnischen und der türkischen Kultur als eine einzige Kultur verbunden, und werde sie so auch meinen Kindern näher bringen.“
Text: Angelika Scheck, Q12
Illustration: Luisa Schmid, 8c